Der Ich-Erzähler erzählt uns in diesem anrührenden Buch die Geschichte der jungen Sumire, die für ihn zugleich beste Freundin und große Liebe ist. Beide kennen und verstehen einander sehr gut, doch leider erwidert sie seine Liebe nicht, so dass es zwischen ihnen bei einer platonischen Freundschaft bleibt. Sumire hat zum Zeitpunkt des Beginns der Geschichte soeben ihr Studium abgebrochen, um sich ganz ihrem Lebenstraum zu widmen: Sie will Schriftstellerin werden. In zerlöcherten Jeans, mit struppig abstehenden Haaren und jederzeit einer Zigarette im Mundwinkel sieht sich als geistige Nachfolgerin Jack Kerouacs, des großen Schriftstellers der Beatnik-Generation.
Doch dann lernt sie die reiche und kultivierte Miu kennen, die sie sofort in ihren Bann zieht. Und mehr als das: Sumire ist zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt.
Ihr Freund muss von nun an zusehen, wie sie sich äußerlich wie innerlich zusehends verändert. Sie beginnt ein geregeltes Leben und tritt in Mius Firma einen Job als Sekretärin an, trägt teure Kleidung und gibt das Rauchen auf. Doch obwohl ihm die lässig, ja mitunter fast verwahrlost auftretende Sumire eigentlich lieber ist als die „neue“ Sumire, sind sich die beiden nach wie vor sehr nahe. Doch dann treten Sumire und Miu eine Reise nach Südeuropa an. Wenige Wochen später erhält der Ich-Erzähler einen nächtlichen Anruf von Miu: Sumire scheint verschwunden zu sein… Er zögert keinen Moment, sondern macht sich auf die Suche.
Haruki Murakami schildert die Personen dieses Romans so anschaulich und mit solcher Liebe zum Detail, dass der Leser sie persönlich zu kennen meint. Auch der Erzähler, wächst einem schon nach wenige Seiten ans Herz. Wenn er sich nach seiner Reise nach Südeuropa innerlich leer und eigentlich nicht mehr als vollständiger Mensch fühlt, wird der Leser im weiteren Verlauf der Geschichte vom Gegenteil überzeugt. Obgleich er sich für unwichtig hält und sich unglaublich einsam fühlt, ist er für seine Mitmenschen von Bedeutung und vermag es, einem sich verloren fühlenden Menschen Halt zu geben. Am Ende fragt sich der Leser: Muss man vielleicht erst Gefahr laufen, sich selbst zu verlieren, um wirklich für andere da sein zu können?
Ein wunderbar geschriebener Roman, dessen Sprache leicht dahin fließt, ohne seicht zu sein. Murakami erzählt hier eine traurige und doch hoffnungsvolle Geschichte, die den Leser bis zur letzten Seite gespannt bleiben lässt, ob der Erzähler und sein „zweites Ich“ sich wieder finden. Eine Geschichte, die uns zeigt, wie wichtig andere Menschen für uns sein können, ohne die wir bloß eine leere Hülle sind, weil uns dieses „unendlich Bedeutsame“ fehlt, das uns vielleicht erst zu Menschen macht.
Haruki Murakami, Sputnik Sweetheart
DuMont Buchverlag 2010. 8,95 €