Die Geschichte beginnt 1670 im heutigen Serbien (dem derzeitigen Osmanischen Reich) mit einem kleinen Mädchen namens Jitka. Sie lebt mit ihrer Mutter in ärmlichen Verhältnissen in einem kleinen Dorf. Dort ist sie einerseits überall als aufgeweckter Wirbelwind bekannt, zugleich aber betrachten die abergläubischen Dorfleute sie mit Argwohn: An ihrem linken Unterarm trägt sie ein feuerrotes Mal und etwas dergleichen gilt zu dieser Zeit als mögliches Anzeichen eines Fluchs.
Als bei einem der regelmäßigen Besuche der Soldaten des Sultans Jitkas Mutter der Beihilfe zum Diebstahl verdächtigt und verhaftet wird und kurz darauf ein geheimnisvoller fremder Mann auftaucht, der behauptet, ihr Vater zu sein, nimmt ihr Leben ein jähe Wendung. Karol nimmt sie mit sich in seine zum Wohnort umgebaute Mühle, und noch während die beiden mit einer Kutsche das Dorf in rasendem Tempo verlassen, schlägt dort der Blitz ein, es entsteht ein Großbrand, welcher das ganze Dorf vernichtet.
Kein Zufall, so wird dem Leser schnell klar. Karol ist ein Vampir und zwar einer der besonderen Art: Kinder des Judas nennen sie sich und behaupten, allen anderen.Vampirarten gegenüber überlegen zu sein. Sie begreifen sich als eingeschworene Gemeinschaft und finden sich bei regelmäßigen Treffen als Cognatio zusammen. Sie tragen weiße Perücken und prunkvolle Kleidung und nicht zuletzt: Sie sehen sich alle als Wissenschaftler, die zum Wohle der Menschen forschen. So darf Jitka von Anfang an dabei sein, wenn ihr Vater Menschen aus dem Dorf mit selbst hergestellten Tinkturen heilt oder auf kundige Art Knochenbrüche versorgt. Sie geht bei ihm in die Lehre und lernt neben der Heilkunst den Umgang mit Waffen sowie naturwissenschaftliches Wissen – alles mit dem einen Zweck: Sie soll die Aufnahmeprüfung zur Elevin in der Cognation bestehen.
Doch im Laufe der Zeit entstehen bei ihr Zweifel an der Selbstlosigkeit der Forschungen Karols und dem Zwecke der Cognatio. Schon bald zeigt sich, dass in den Laboren innerhalb der Mühle furchtbare Dinge vor sich gehen und dass die Cognatio alles andere als ein Verein zur Förderung des Menschenwohls ist. Letztlich entwickelt sich das kleine Mädchen Jitka zu einer mutigen jungen Frau namens Scylla, die sich gegen die Zwecke der Cogantio stellt und dennoch als Judaskind von allen anderen Vampiren verachtet und gejagt wird. Somit sitzt sie zwischen allen Stühlen. Und damit beginnt ihre eigene Geschichte natürlich erst…
Neben diesem Strang der Erzählung versteht es Markus Heitz sehr gut, das Leben der selben Vampirin im Leipzig des Jahres 2007 zu beschreiben. Deren Leben ist keineswegs langweilig, arbeitet sie doch abwechselnd als Nachtwache in einem Krankenhaus und als Ringkämpferin in einer illegalen Wrstling-Arena im Untergrund. Sie erinnert sich an ihre Geschichte und schreibt sie auf, woraus zwei geschickt miteinander verflochtene Ebenen des Romans entstehen, die den Leser konstant gespannt halten!
Neben den sehr gut ausgearbeiteten Charakteren zeichnet sich der Roman durch die Schaffung plastischer Atmosphären, detaillierte bestialische Kampfszenen und eine ans Herz gehende Liebesgeschichte aus. Nichts für schwache Nerven und dabei auf jeden Fall lesenswert! In seinem Nachwort wird deutlich, wie gut Markus Heitz für seinen ersten Vampirroman recherchiert hat. Wer sich über die historischen Daten, die das Gerüst für den Roman abgeben, genauer informieren will, dem sei Markus Heitz Buch Vampire, Vampire! empfohlen, in dem er die historischen und gesellschaftlichen Wurzeln des Vampirmythos anschaulich darstellt. Und alle die die Geschichte von Scylla nicht loslässt sollten unbedingt den Nachfolger Judassohn lesen, um sich gleich darauf auf Judastochter zu freuen, das Ende diesen Jahres erscheint.
Markus Heitz, Die Kinder des Judas.
Knaur 2007. 14,95€